15. November 2019

Herbstliche Abenteuerflüge

Jaaa, er lebt noch!


Und fliegen tut er auch so oft wie möglich, der Sportpilotenlizenzanwärter. Klar, da kommen in der kalten Jahreszeit nicht so viele Termine zusammen. Gestern zum Beispiel, am 14.11.2019 war der Sonnenuntergang schon um 16:23 Uhr. Wäre ja okay, wenn man auch schon am Vormittag starten könnte, aber zu oft verzieht sich der Nebel erst im Laufe des Tages. Dann heißt es: aus dem Fenster gucken und auf positive Nachrichten aus der Telefonkette Flugleiter am Platz -> Fluglehrer -> Flugschüler hoffen.

Einen solchen Ausflug unternahmen wir an einem Nachmittag Anfang Oktober nach Eberswalde-Finow (EDAV), einem Verkehrslandeplatz mit enormer Pistenlänge und der Besonderheit, auf einem Großteil seiner Fläche von einer großen Photovoltaik-Anlage eingenommen zu sein. Es war meine zweite Auswärtslandung, die durch die kaum zu verfehlende Landebahn aber wenig spektakulär war. Schöner war die Navigation über Oranienburg und den Liepnitzsee im Norden Berlins. Im Anschluss drehte ich noch zwei Platzrunden alleine in Finow, bevor ich per Funk gewarnt wurde, dass man jetzt den letzten Kaffee vor Schluss bestellen könne. Das hieß auch, dass es nach besagtem Kaffee langsam dunkel werden würde. Allgemein war die Flugstunde eher ein quick-and-dirty Ausritt, weshalb unterwegs auch leider keine Fotos entstanden.

Gaaaanz anders verhielt es sich bei der Tour am Ende des Monats, die folgendermaßen auf den Plan gerufen wurde:
Was zum...?! Jaja, natürlich sah die Piste in Bienenfarm nach dem Vielflieger-Sommer etwas "gerupft" aus. Aber dass deswegen gleich GÜLLE AUF DIE LANDEBAHN GEKIPPT wurde - mit so drastischen Maßnahmen hätte ich nicht gerechnet. Wie dem auch sei: es stellte sich heraus, dass ein schmaler Streifen auf der südlichen Hälfte doch noch scheißefrei benutzbar war für Starts und Landungen. Auch wenn sich der Slapstick-Fan in mir heimlich auf das Geräusch "Propeller vs. Kuhdung" gefreut hatte.
Eine weitere Tatsache war, dass in meinem Ausbildungsheft noch eine Lücke beim Zweimal-200km-Flug klaffte. Also durfte es schön weit weg gehen. Natürlich hätte sich da zum Beispiel die Ostsee angeboten. Dort war die D-MCIW samt Fluglehrer aber schon am Vortag unterwegs gewesen. Deswegen hatte ich zugunsten der Spannung eine südliche Route ausgesucht: von Bienenfarm nach Jena-Schöngleina (EDBJ), entlang der Havel, der A9, Halle und Leipzig. Die Anflugblätter hatte ich mir zuvor über meinen neuen SkyDemon-Account ausgedruckt, vorbildlich die NOTAMs (wichtige Mitteilungen bspw. zu kurzfristigen Änderungen der Lufträume oder bei Sperrung eines Platzes, o.ä.), und Wetterberichte rausgelassen, alle Frequenzen notiert, Zeiten, Spritbedarf, Kurse usw. ausgerechnet... und dann war bei folgendem Anblick gelinde gesagt alles für'n Arsch:


Geil, Wolken! Aber wisst ihr, wo auf dem obigen Bild Jena liegt? Wo man im Ernstfall hingleiten und notlanden könnte? Wo die Landschaftsmerkmale sind, an die man sich halten sollte, um nicht aus Versehen verbotene Lufträume zu durchfliegen? Nein, nein und nein. Auf diesem Wege weiter nach Süden zu fliegen wäre unklug gewesen. Auch wenn der Wetterbericht nach wie vor behauptete, man habe gute Sichten in der Region. Umkehren wäre hier, genau über der Elbe bei Dessau, eine Option gewesen. Andererseits hatte dieses Wolkenmeer auch Enden und Löcher, wie man sie am rechten Bildrand erkennt. Wenn man sich an diesen Flächen orientierte, gelangte man ziemlich direkt nach Erfurt. In der Gegend kannte ich aus einigen Youtube-Videos den Verkehrslandeplatz Eisenach-Kindel (EDGE). Von der Entfernung her schien das machbar zu sein und wir hatten Kartenmaterial und sonstige Informationen per SkyDemon an Bord, also versuchte ich mein Glück. Auch wenn mir die tiefen Wolken unter den Rädern der C42 immer wieder die Sicht auf Land raubten, malten sie teilweise wirklich sehenswerte Motive in die Landschaft. Beispielsweise ergab sich so ein postkartenreifes Motiv vom Kyffhäuserdenkmal in mystischem Nebel.

Am Ende war uns das Glück hold und die Sicht im Sinkflug noch gerade so bei ca. drei Kilometern: der große Flugplatz Eisenach erschien nach rund zwei Flugstunden auf 12 Uhr. Die Landung war in Ordnung, spottbillig und der Kaffee tat gut. Erhellend war auch die erneute Bewertung des Wettergeschehens. Inzwischen musste es in Jena tatsächlich fliegbares Wetter geben. Bis zur Dunkelheit war eh noch viel Zeit und überhaupt: warum eigentlich nicht?

In Eisenach-Kindel (EDGE)



Wir tankten also noch ein teures Schlückchen Super-Benzin und hielten uns dann ostwärts entlang der Autobahn. Der Norden versank derweil weiterhin im Nebel - der Flughafen Erfurt-Weimar meldete eine bescheidene Wolkenuntergrenze von 300 Fuß (ca. 100 Meter). Der Korridor nach Jena schien aber sichergestellt, wie wir auch durch anderen Verkehr auf der Frequenz des Fluginformationsdiensts mitbekamen. Tatsächlich war das einzige Manko der seitliche Gegenwind, der uns eine ganze Stunde bis nach Jena brauchen ließ. Der Platz selbst liegt recht markant außerhalb der Stadt auf einem kleinen Berg - etwas, das für mich im Anflug zur Schwierigkeit werden sollte. Nach meinen Erfahrungen in Finow und Eisenach waren die Platzrunden an Landeplätzen mit längeren Bahnen gerne mal etwas großzügiger gestaltet, sodass man sich auch erst im Queranflug um die Landevorbereitung kümmern konnte und dann immer noch genügend Strecke und Zeit hatte. In Jena war die Piste zwar nicht ganz so riesig, aber auf der Karte schätzte ich die Anflugstrecke trotzdem etwas länger ein. Außerdem kam es mir so vor, als sei ich ohnehin schon tief, weil der Platz ja auf dem Plateau lag. Schlussendlich war ich im Endanflug zu hoch, schaffte es aber dennoch, vor der Halbbahnmarkierung zu landen.
Blick auf Jena von Süden

Nach einem netten Plausch im Turm war es an der Zeit, zur Güllefarm zurückzufliegen. Diesmal ging der Plan auch auf, an Leipzig und Co. direkt vorbeizufliegen - von den Wolken war keine Spur mehr.
Schon auf dem Heimflug fand ich den Tag richtig gelungen. Diesmal war ich schon für mehrere Stunden wie ein "richtiger" VFR-Pilot auf Strecke gewesen, hatte so ziemlich alles alleine gemacht und konnte mich gut per Sicht und Karte in der Umgebung zurecht finden. Und natürlich war der improvisierte Alternate ins Thüringische auch ein kleines, aber lehrreiches Abenteuer. Neue Plätze kennenzulernen ist auch immer interessant und es gab Aussicht auf mehr: Nach diesem Ausflug kratzte ich bereits an der 20-Flugstunden-Marke und hatte noch mindestens drei 50km-Soloflüge und eine Landung auf einem großen Flughafen mit Kontrollzone vor mir - Grund genug also, sich auf noch einige weitere Abstecher in die Ferne zu freuen. Auch wenn ich natürlich immer gerne zum wilden Bienenfarm Airport zurückkehre.
Die eingesaute Bienenfarm: eine Landung auf dem braunen Teil der Piste hätte sehr bildlich für die englische Redewendung "the shit hits the fan" gestanden.

Auch im November ging es schon kreuz und quer durch Ostdeutschland. Davon bald berichtend und mit den besten Grüßen:

Lukas